Greifvogellehrpark „Am Goldstein“

Greifvogellehrpark „Am Goldstein“

Auf dem 2.000 Quadratmeter großen Areal erleben kleine und große Gäste, wie faszinierend und schützendswert Greifvögel sind.


Wenn Falkner Ernst Marscheck zu Emma kommt, begrüßt ihn die weißgefiederte Uhu-Dame freundlich mit einem tiefen „Uhuuu“. Und der kleine braune Steinkauz Loisl sitzt ruhig auf seinem Handschuh und genießt es sichtlich, gekrault zu werden. Man merkt, dass die Tiere dem Falkner vertrauen. Er hat sie beide großgezogen.

— Faszination seit der Kindheit

Als er sieben Jahre alt war, fand Ernst Marscheck zum ersten Mal einen verletzten Vogel: es war eine kleine Waldohreule. Er nahm sie mit nach Hause nach Wisselsheim und päppelte sie auf. Der gelernte Schlosser ist jetzt seit über 40 Jahren nebenberuflich Falkner und stellt dem Greifvogelpark seine Tiere zur Verfügung. Auch Stefan Zwätz, erster Vorsitzender des Vereins Greifvogelfreunde Bad Nauheim e. V., ist schon seit Kindheitstagen von Greifvögeln fasziniert. Er wuchs auf einem Bauernhof in der Nähe von Wetzlar auf und kümmerte sich als Junge um verletzte Vögel. Die Faszination für diese Tiere ist beiden erhalten geblieben.

Zwätz und Marscheck engagieren sich mit zwei weiteren Vorstandsmitgliedern ehrenamtlich im Verein, der 2017 gegründet wurde und rund 50 Mitglieder hat. Das Areal des Greifvogelparks am Goldstein umfasst rund 2.000 Quadratmeter. Alles, z. B. Volieren und Behausungen, haben die Vereinsmitglieder selbst gebaut, geschweißt und angelegt. Rund 8.000 Arbeitsstunden hatten sie bis zur Eröffnung investiert, und es ist immer etwas zu tun.

© BNST GmbH

Greifvogelfreunde seit der Kindheit: Stefan Zwätz (links) und Ernst Marscheck.

— Vertrauen ist elementar

Steppenadler Igor war neulich entflogen.

Einem Greifvogel etwas anzutrainieren, braucht Geduld und Zeit. Das gewünschte Verhalten wird u. a. mit Appellübungen trainiert. Es funktioniert durch positive Verstärkung – d. h. erwünschtes Verhalten wird mit Futter belohnt. Zunächst lernen die Vögel auf dem Handschuh zu sitzen, sich dort sicher zu fühlen. Sie müssen auf den Ruf des Falkners oder der Falknerin hören. Wenn das einwandfrei klappt, kann man sie fliegen lassen. Denn die Tiere wissen, wenn der Ruf ertönt, sollen sie zurückkommen.

In der Regel funktioniert das auch sehr gut. Manches Mal aber kommt es vor, dass ein Vogel auf Abwegen ist: Neulich machte Steppenadler Igor einen Ausflug zu den Bad Nauheimer Waldteichen. Ein Anwohner sagte den Greifvogelfreunden Bescheid und Ernst Marscheck fuhr hin. Er rief Igor, der sofort zu ihm auf den Handschuh flog und den er anschließend in den Park zurückbrachte.

Weitere Bewohner des Greifvogellehrparks

— Anlaufstelle für verletzte Greifvögel

Derzeit leben acht Tiere im Greifvogelpark: Ein Weißkopfseeadler (Nord-Amerika/Kanada), Hochlandbussard (Mongolei), Lannerfalke (Südeuropa), Sakerfalke (Osteuropa), kasachischer Steppenadler (nicht heimisch), Schleiereule (heimisch), sibirischer Uhu (nicht heimisch) und Steinkauz (heimisch) – und ein junger Mäusebussard, der vor ein paar Wochen verletzt abgegeben wurde und nun aufgepäppelt wird. Er sitzt aktuell fast den ganzen Tag hoch oben auf einem Baum, der an den Greifvogelpark angrenzt. Nur, wenn er Hunger hat, miaut er und bewegt sich. Dann legt ihm Falkner Ernst Marscheck Futter hin, das sich der wilde Mäusebussard wenig später holt. Bald wird er flügge werden und wegfliegen. Etwa einmal im Monat kommt es vor, dass ein verletzter oder aus dem Nest gefallener Vogel zum Verein gebracht wird. Die Greifvogelfreunde helfen den Tieren und übernehmen die zeitintensive Aufzucht.

— Immaterielles Kulturerbe

Schon vor rund 4.000 Jahren begannen Menschen mit der Falknerei. Die Ausübung der Falknerei, die zum immateriellen Kulturerbe erklärt wurde, ist eng verbunden mit Umwelt- und Artenschutz. Die Aufgabe nimmt der Verein ernst. Stefan Zwätz und Ernst Marscheck möchten die Menschen für (bedrohte) Vogelarten sensibilisieren und verdeutlichen, warum es sie zu schützen gilt. Beide sind Rentner, sonst könnten sie diese zeitaufwändige Arbeit nicht stemmen. Die Tiere werden täglich gewogen und können täglich frei fliegen.

Kritische Stimmen, dass die Vögel angebunden sind, gibt es von Besuchenden immer mal wieder. Was viele nicht wissen: Für Greifvögel gibt es einen Leinenzwang. So soll verhindert werden, dass sie mit Wildvögeln in Kontakt kommen – auch wegen Seuchengefahr.

Die Anlage des Greifvogellehrparks „Am Goldstein”.

Damit die Vögel um den Greifvogelpark losgelassen werden dürfen, musste der Jagdpächter seine Zustimmung geben. Und: Die Vögel ruhen sich zu mehr als 95 Prozent am Tag aus oder betreiben Gefiederpflege. Sie fliegen nur, wenn sie Hunger haben.

Neben der Pflege der Tiere und der Anlage besteht ihre Arbeit auch darin, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Faszination der Greifvögel näher zu bringen. Dazu laden Sie Kitas, Schulen und andere Einrichtungen regelmäßig ein. Das alles machen sie ehrenamtlich – und mit ganz viel Herzblut.

Mehr Infos

Alle Infos für einen Besuch im Greifvogelpark gibt es auf www.greifvogelfreunde-bad-nauheim.de. Der Eintritt ist frei.

Autor / Autorin
Katharina Wagner
Katharina Wagner
Die Bad Nauheimerin lernt durch das Schreiben für den Blog ihre Heimatstadt noch einmal neu kennen: „Ich treffe interessante Menschen, die Interessantes machen oder zu erzählen haben, und ich bekomme spannende Einblicke in Unternehmen und Einrichtungen, die ich vorher so nicht hatte. Das macht Spaß.“ Katharina Wagner ist freiberufliche Redakteurin (Online, Print, Social Media und TV), seit ihrer Kindheit großer Elvis-Fan und sie lebt mit ihrem Lebensgefährten und den zwei gemeinsamen Kindern in Nieder-Mörlen.