Die „Äppelgass“

Die „Äppelgass“

Hier hat er mit anderen Kindern gespielt, getobt und vor allem hat er sich – in der Apfelstraße 9 – etwas Taschengeld verdient. Gästeführer Norbert Mischke hat an die älteste Straße Bad Nauheims ein paar ganz persönliche Kindheitserinnerungen.


Wo jetzt Wohnungen sind, waren früher der Hof, die Ställe und die Scheune von Bauer Hartmann, der auch heute noch einen Hof zwischen Bad Nauheim und Friedberg betreibt. Norbert Mischke, heute 71, hat hier schon als Achtjähriger als Erntehelfer gearbeitet.

Die Apfelstraße (links) ist die älteste Straße der Stadt.

Der gebürtige Bad Nauheimer hat in der Scheune das Stroh gestapelt, war auf den Äckern unterwegs und hat Zuckerrüben geerntet oder auf Streuobstwiesen Äpfel gepflückt. Aus seiner Familie hat damals übrigens noch jemand in der Apfelstraße 9 gearbeitet: Oma Auguste machte für den ganzen Hof die Wäsche. Bis er seine Lehre als Installateur und Spengler begann, arbeitete Norbert Mischke für Bauer Hartmann.

Auch heute noch, rund 60 Jahre später, beschäftigt er sich mit Äpfeln, nämlich bei der Gästeführung „Alles Äppel oder was?“, die von April bis September angeboten wird. Hier wandert er mit Interessierten über Streuobstwiesen, erläutert die verschiedenen Sorten und gibt auch Tipps zur Verarbeitung.

— Bad Nauheims Altstadt

Die Apfelstraße liegt in Bad Nauheims Altstadt. Der historische Stadtkern beginnt am Marktplatz und ist mit seinen engen Gassen und liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern (besonders schöne stehen in der Wilhelmsstraße) eines der schönsten Viertel im Zentrum. Hier trifft man auf Schritt und Tritt auf historische Bauwerke und Orte. So z. B. das Alte Rathaus (von 1788 bis 1903 Sitz der Gemeindeverwaltung), das Kommandantenhaus (dessen Balken sehen von weitem aus wie Menschen) oder auch der Alte Friedhof (dort wurden bis zum Jahre 1902 über 5.000 Menschen bestattet, die auch heute noch immer dort ruhen).

Weitere sehenswerte Orte sind die Wilhelmskirche, die Burgpforte und natürlich die Apfelstraße: Der älteste Teil des Dorfes Nauheim gehörte zum Sprengel der Kirche St. Johannis auf dem Johannisberg. Elf Häuser der Apfelstraße waren noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts zur Bergkirche eingepfarrt. Sie war Bad Nauheims frühestes Gotteshaus, erbaut etwa Anfang des 8. Jahrhunderts, im 16. Jahrhundert renoviert und mit neuem Dach ausgestattet. Im 30-jährigen Krieg wurde sie zur Ruine. Die Steine der verfallenen Kirche wurden später zum Bau der Reinhardskirche (heute russische Kirche) verwendet.

Wie die „Äppelgass“ zu ihrem Namen kam

Das Haus mit der Kanonenkugel.

Schon früh wurde Obstbau in Bad Nauheim betrieben. Darauf deutet der Straßenname hin: Bereits im Mittelalter haben die Anwohner hier Apfelschnitze auf Schnüre gereiht und dann über die Straße zum Trocknen aufgehängt. Deswegen wurde die Apfelstraße früher auch „Äppelgass“ oder „Schnitzegass“ genannt.

Alle paar Meter bleibt Norbert Mischke stehen und weiß Geschichten wie diese über die „Äppelgass“ zu erzählen, so auch über die in der Mauer eingelassene Kanonenkugel an Haus Nummer 22. Die wurde von einem damaligen Hausbesitzer am Johannisberg gefunden und zur Erinnerung an den Siebenjährigen Krieg eingelassen. In der Schlacht am Johannisberg vom 30. August 1762 standen sich damals französische Truppen unter Führung des Prinzen Condé und Verbündete von Friedrich des Großen unter dem Befehl des Erbprinzen Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig gegenüber. Zugegeben, eine ziemlich ungewöhnliche Erinnerung, aber eine, die auf jeden Fall im Kopf bleibt.

Altstadt-rundgang

Mehr Wissenswertes über die Apfelstraße und die Altstadt erzählt Ihnen Norbert Mischke gerne persönlich auf einem Altstadt-Rundgang, der über die Bad Nauheimer Tourist Information buchbar ist. Natürlich können Sie Apfelstraße und Altstadt auch auf eigene Faust entdecken. Im Flyer „Historische Rundgänge“ ist die Tour entsprechend markiert.

Flyer herunterladen
Autor / Autorin
Katharina Wagner
Katharina Wagner
Die Bad Nauheimerin lernt durch das Schreiben für den Blog ihre Heimatstadt noch einmal neu kennen: „Ich treffe interessante Menschen, die Interessantes machen oder zu erzählen haben, und ich bekomme spannende Einblicke in Unternehmen und Einrichtungen, die ich vorher so nicht hatte. Das macht Spaß.“ Katharina Wagner ist freiberufliche Redakteurin (Online, Print, Social Media und TV), seit ihrer Kindheit großer Elvis-Fan und sie lebt mit ihrem Lebensgefährten und den zwei gemeinsamen Kindern in Nieder-Mörlen.