Die Salzsieder vom Keltenpavillon

Die Salzsieder vom Keltenpavillon

Beim Keltenpavillon am Gradierbau I in der Zanderstraße kann unter fachlicher Anleitung auf keltische Weise selbst Salz gesiedet werden. Klaus Feuerstein und Manfred Rosegeit beantworten dabei alle Fragen rund um das Salzsieden und die Kelten.


Um 14:00 Uhr sind Klaus Feuerstein und Manfred Rosegeit vor Ort, schieben den schweren elektrischen Salzsiedeofen nach draußen und stellen die Töpfe auf die Platten. Dann gießen sie die Sole hinein. Sie hat einen Salzgehalt von 20 Prozent. 10 Liter Sole ergeben nach dem Einkochen also 2 Kilogramm Salz.

— „Salzsieden hat etwas Meditatives“

Der Ofen, mit dem hier Salz gewonnen wird, ist der Nachbau – aus modernen Materialien – eines keltischen Salzsiedeofens. Nach dem Einfüllen der Sole werden die Heizplatten eingeschaltet. Dann heißt es rühren und warten. Für Manfred Rosegeit, der wie Klaus Feuerstein schon einige Jahre Interessierten das Salzsieden näherbringt, hat es schon fast etwas Meditatives, der Sole beim Einkochen zuzuschauen. Es braucht Zeit.

Der Siedepunkt liegt bei der Sole bei 107 Grad und damit höher als bei Wasser. Das hängt mit dem Salzgehalt zusammen. Mein Sohn Aaron, den ich mit zum Keltenpavillon genommen habe, rührt kontinuierlich in den Töpfen und hört Klaus Feuerstein zu, der schier unendlich viel über das Salzsieden und die Kelten in Bad Nauheim weiß und die Infos auch kindgerecht vermitteln kann. Er geht mit ihm in den Keltenpavillon und erklärt ihm die Hintergründe. Innen gibt es Text- und Bildtafeln, Filme und nachgebildete keltische Geräte zu sehen, die anschaulich über die Arbeits- und Lebenswelt der Kelten informieren. Auch steht hier die Rekonstruktion eines keltischen Salzsiedeofens, dessen Grundriss bei Ausgrabungen in der Kurstraße in Bad Nauheim gefunden wurde.

Klaus Feuerstein (links) und Manfred Rosegeit haben gerade die Sole eingefüllt.

— So gewannen die Kelten Salz

In solchen Tontöpfen kochten die Kelten in früheren Zeiten Sole.

Seit wann genau in Bad Nauheim schon Salz gewonnen wird, ist nicht bekannt. Zwischen 500 und 100 v. Chr. hatten die Kelten entlang der Usa eine der größten späteisenzeitlichen Siedlungen und zwei Salzsiede-Anlagen im Bereich der heutigen Neuen Kolonnaden und zwischen Trinkkuranlage und Dankeskirche errichtet. Nachdem die Sole in einem großen Becken vorgradiert wurde, kam sie in Tontöpfe und wurde in einem Salzsiedeofen gekocht, bis ein fester Salzkuchen entstand. Die Tongefäße wurden zerschlagen, um an das Salz zu gelangen.

Salz galt als das „weiße Gold“, denn es war lebensnotwendig. Die Menschen brauchten es, um Lebensmitteln haltbar zu machen und setzen es auch in der Viehhaltung ein. Im ersten Jahrhundert v. Chr. wurden diese Salzsiedeanlagen aufgegeben, um 700 n. Chr. nutzten fränkische Siedler die Quellen erneut zur Salzgewinnung. Durch die Gradierbauten nahm die Salzproduktion ab dem 18. Jahrhundert deutlich zu.

— Größte keltische Saline Europas

Vor rund 160 Jahren kamen die ersten Reste der keltischen Salzgewinnungsanlagen in Bad Nauheim ans Tageslicht. In den Fundamentgruben von Neubauten z. B. in der Kurstraße wurden Ascheschichten, Feuerstellen, Steinpflaster und zahlreiche keltische Objekte aus Keramik und Metall entdeckt, die eindeutig mit der Salzgewinnung zu tun haben. In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden außer keltischen Resten auch Salinenbefunde aus der Zeit des frühen Mittelalters entdeckt. Bei den letzten Grabungen von 1992 bis 2003 in Bad Nauheim wurde die bislang größte keltische Saline Europas freigelegt, in der einst schätzungsweise rund 1.000 keltische Söder Salz produziert hatten.

— Luft wie am Meer

Einst gab es in Bad Nauheim 23 Gradierbauten, heute sind noch fünf davon erhalten. Sie sind nicht nur beeindruckende Industriedenkmäler, sondern dienen in erster Linie der Gesundheit. Die Sole rieselt an den bis zu zehn Meter hohen Schwarzdornwänden herab, beim Verdunsten erhöht sich der Salzgehalt des Wassers, und die Luft wird mit Salz in Aerosol-Form angereichert. Das Inhalieren tut den Bronchien und der allgemeinen Gesundheit gut. Auch an diesem Tag zieht es einige Menschen in Bad Nauheim zum Gradierbau I: Sie sitzen in der Sonne und atmen die salzhaltige Luft ein.

Ein paar Meter weit entfernt ist in den Töpfen auf dem elektrischen Ofen inzwischen das Salz sichtbar. Es hat sich nach zwei Stunden abgesetzt. Als Andenken kauft sich Aaron ein Säckchen Salz. Dabei strahlt er so, als hätte er ein Säckchen Gold in den Händen. Er fragt Klaus Feuerstein, wie lange sich das Salz hält. „Für immer“, sagt er. „Ok, das ist lange“, meint Aaron. Das Salz aus Bad Nauheim ist aufgrund des hohen Arsengehalts nicht zum Essen geeignet, aber für meinen Sohn ein schönes Andenken.

Salzsieden wie die kelten

— Dringend gesucht: Helferinnen und Helfer

Von April bis Oktober sind Klaus Feuerstein und Manfred Rosegeit zweimal pro Woche abwechselnd am Keltenpavillon und führen das Salzsieden vor. Der Kontakt mit den großen und kleinen Gästen und die ruhige handwerkliche Arbeit macht ihnen Freude. Die beiden „Söder“ hoffen zukünftig auf weitere Helferinnen und Helfer, an die sie ihr Wissen weitergeben können. Wer Interesse hat, meldet sich gerne beim Kulturamt der Stadt Bad Nauheim unter kulturamt@bad-nauheim.de.

Salzsieden erleben

Das Salzsieden findet zwischen April und Oktober mittwochs, samstags und sonntags von 15:00 bis 18:00 Uhr beim Keltenpavillon beim Gradierbau I in der Zanderstraße 3 statt. Der Eintritt kostet 3,30 € (Tageskurkarte), Inhaber einer Kurgastkarte oder einer Jahreskurkarte haben freien Eintritt.

Infos zur Geschichte

Mehr über die Geschichte der Salzgewinnung in Bad Nauheim erfahren Sie auf www.bad-nauheim.de | Von der Salzgewinnung zum Solebad.

Autor / Autorin
Katharina Wagner
Katharina Wagner
Die Bad Nauheimerin lernt durch das Schreiben für den Blog ihre Heimatstadt noch einmal neu kennen: „Ich treffe interessante Menschen, die Interessantes machen oder zu erzählen haben, und ich bekomme spannende Einblicke in Unternehmen und Einrichtungen, die ich vorher so nicht hatte. Das macht Spaß.“ Katharina Wagner ist freiberufliche Redakteurin (Online, Print, Social Media und TV), seit ihrer Kindheit großer Elvis-Fan und sie lebt mit ihrem Lebensgefährten und den zwei gemeinsamen Kindern in Nieder-Mörlen.