FilmBühne | © Mario Andreya

FilmBühne

In den 1920er Jahren begann die Ära der prächtigen Lichtspielhäuser. Die Menschen zog es damals in die Kinos. Ein Besuch war ein besonderes Erlebnis - und das soll es auch für die Gäste der FilmBühne sein.


Als sechsjähriger Junge stand Giovanni Speranza, Geschäftsführer der FilmBühne GmbH, am Küchenfenster und hat den Klängen der Filme gelauscht, die nebenan im Bad Nauheimer Kino gezeigt wurden. Sein Kindheitstraum, Schauspieler zu werden, hat sich für ihn mit der Eröffnung der FilmBühne – anders als gedacht – doch noch erfüllt.

— Handverlesene Möbel und Materialien

Jedes neue Stück, das im Kino steht oder verbaut wurde, hat Giovanni Speranza selbst ausgesucht: Die rund 100 Jahre alten Stühle im Jugendstil im Eingangsbereich hat er in Wiesbaden aufgespürt, die Messinglampen im Stil der 20er sind aus Berlin und die Terrazzo-Fliesen in den WCs aus Italien. Selbst die Waschbecken erinnern vom Schwung her an die Zeit des frühen 20. Jahrhunderts. Ein Bad Nauheimer Schreiner hat den Unterbau aus Eichenholz für die massive Theke der Bar angefertigt, deren Arbeitsplatte aus Zinn ist – handgearbeitet in Frankreich. An den Wänden sind opulente Tapeten in Bordeaux und Gold mit Jugendstilornamenten angebracht: Die Liebe zum Detail ist überall erkennbar – das Bad Nauheimer Kino von früher nicht mehr.

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Ein Kinoerlebnis wie in den 1920er Jahren – vom Eingangsbereich...

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...über die Bartheke...

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...bis hin zu den WCs. Fotos: Mario Andreya

— Achtsamer Kino-Genuss

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Foto: Mario Andreya

In der FilmBühne riecht es nicht nach Popcorn und Nachos – beides gibt es hier nicht, wie Produkte mit Industriezucker. Etwas ungewöhnlich, aber einen Film anzuschauen, ohne dass rundherum die Tüten rascheln, hat was. Giovanni Speranza möchte ein achtsames und nachhaltiges Kino-Erlebnis bieten. Auf dem Boden neben der Kasse steht ein kleiner schwarzer Eimer für Papiermüll. Am Ende des Kinoabends ist er noch nicht einmal halb voll. Der Kinobetrieb produziert so gut wie keinen Müll. Statt Chips in Tüten gibt es Snacks (Nüsse und getrocknete Früchte aus fairer Produktion) und Getränke in Gläsern oder Pfandflaschen. Die wiederaufladbaren Kino-Karten sind aus Holz und die Strohhalme aus Schilf.

Die Zahl der Sitzplätze hat er von 155 auf 92 reduziert. Mit dem Ergebnis den Gästen nun viel mehr Beinfreiheit bieten zu können. Getränke und Snacks können auf den Beistelltischen abgestellt werden. Die neue, sehr energieeffiziente Lüftungsanlage sorgt in Coronazeiten für ein gutes, sicheres Gefühl beim Kino-Besuch.

— Programmkino, Blockbuster und Kleinkunst

Am Eingang begrüßt ein goldener Filmpreis-Oscar die Kino-Gäste, die sich selbst auch ein bisschen wie Stars fühlen können, denn ihnen hat Giovanni Speranza den roten Teppich ausgerollt. Oft geht er vor der Filmvorstellung auf die 42 m² große Bühne und begrüßt seine Gäste persönlich, erklärt das Kino-Konzept und verliert ein paar Worte zum Film. Ohne lange Umschweife – es gibt keine Werbung, nur ein paar kurze Trailer zu sehen – startet der Film.

Das Programm der FilmBühne spricht er mit seinem langjährigen Freund und ehrenamtlichen Kurator ab: Doron Wisotzky. Der Bad Nauheimer war auch zur Eröffnung im Mai da. Er ist inzwischen ein erfolgreicher Drehbuchautor, schrieb unter anderem die Erfolgskomödien „What a Man“ und „Der Schlussmacher“ mit Matthias Schweighöfer sowie „Contra“ mit Christoph Maria Herbst. Blockbuster werden ebenfalls gezeigt wie kürzlich „Top Gun“ – der zweite Teil des Kultfilms – und natürlich auch: Elvis.

Kleinkunst, Kabarett mit Nachwuchstalenten oder Live-Streaming von Opern direkt aus internationalen Häusern sind in Planung. Die FilmBühne kann – dank der eingebauten Verantstaltungstechnik – auch für Workshops oder Seminare gemietet werden.

Das Kino in der Kurstraße gibt es seit 1926. Davor wurde es als Ballsaal und Frühstückssaal eines Hotels genutzt.

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Giovanni Speranza (rechts) und Doron Wisotzky bei der Eröffnung der FilmBühne. Foto: Annette Hausmanns

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Der Kinosaal. Foto: Mario Andreya

— Mit Fantasie und Förderung

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Foto: Mario Andreya

Ein Kino zu eröffnen – in der heutigen Zeit von Streaming und Corona ein Wagnis. Giovanni Speranza hatte sich im Sommer 2019 dazu entschlossen – da war Corona noch nicht in Sicht. Es kam eher zufällig dazu: Er suchte einen Veranstaltungsort für seine Coachings. Mit einem Freund stand er vor dem leerstehenden Kino, der ihm erzählte, dass das Kino wegen Insolvenz geschlossen sei und er dies vielleicht nutzen könne. Nach der ersten Besichtigung war klar, dass der Lieblingsort seiner Kindheit, in dem er seinen ersten Film („Jagd auf Roter Oktober“ mit Sean Connery) gesehen hatte und der ihm so viele schöne Erinnerungen beschert hatte, nicht weiterhin leer stehen durfte: Er wollte es zu neuem Leben erwecken.

So romantisch wie das erst einmal klingt, war es nicht. Es steckt viel Arbeit, Fantasie, Herzblut und Geld drin. Glücklicherweise bezuschusste HessenFilm sein Vorhaben mit 140.000 Euro, Giovanni Speranza selbst nahm noch einmal so viel Geld in die Hand. Investitionen, die sich auszahlen sollen. Seine Hoffnung (ital.: Speranza), dass die Besucher auch in Zukunft so zahlreich, wie in den Startwochen, in ihre neue FilmBühne kommen.

Programm & Infos

Das Programm der FilmBühne und aktuelle Infos gibt es auf www.filmbuehne.de und www.instagram.com/filmbuehne_bn/

Autor / Autorin
Katharina Wagner
Katharina Wagner
Die Bad Nauheimerin lernt durch das Schreiben für den Blog ihre Heimatstadt noch einmal neu kennen: „Ich treffe interessante Menschen, die Interessantes machen oder zu erzählen haben, und ich bekomme spannende Einblicke in Unternehmen und Einrichtungen, die ich vorher so nicht hatte. Das macht Spaß.“ Katharina Wagner ist freiberufliche Redakteurin (Online, Print, Social Media und TV), seit ihrer Kindheit großer Elvis-Fan und sie lebt mit ihrem Lebensgefährten und den zwei gemeinsamen Kindern in Nieder-Mörlen.