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#WirsindBadNauheim

Wir arbeiten für deine Stadt

#wirarbeitenfürdeinestadt

Rund 500 Menschen arbeiten für die Gesundheitsstadt Bad Nauheim. Einige sehen wir täglich im Stadtgebiet, etwa beim Reinigen der Straßen oder Pflegen der Grünflächen. Viele städtische Beschäftigte arbeiten jedoch im Hintergrund und sind nicht jeden Tag „präsent“. Jeder für sich ist ein bedeutendes Zahnrad im Uhrwerk „Stadtverwaltung“ und leistet einen wichtigen Beitrag für das Zusammenleben. Mit unserer Serie #wirarbeitenfürdeinestadt stellen wir euch einige dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor.

Patricia Mayer | © Magistrat

Patricia Mayer

Frauenbeauftragte

Gleiches Recht für alle!

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts und Gewalt gegen Frauen sind Themen, mit denen sich Patricia Mayer auskennt.

Die 58-Jährige arbeitet seit 40 Jahren für die Stadt Bad Nauheim und ist seit 2012 Frauenbeauftragte. Die Frauenbeauftragten arbeiten auf der Basis des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes (HGLG). Dieses Gesetz gibt der Frauenbeauftragten verschiedene Gestaltungs- und Kontrollinstrumente zur Hand, um aktiv die verwaltungsinterne Gleichstellung von Frauen zu verbessern. Die Frauenbeauftragte überwacht die Durchführung dieses Gesetzes und Teile des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), soweit es um Benachteiligungen wegen des Geschlechts geht. Sie unterstützt die Behördenleitung bei der Umsetzung der o. g. Ziele. Als Instrument dient ihr dazu u.a. der Frauenförderplan.

Außerdem hat Patricia Mayer die Aufgabe der Sucht- und Gesundheitslotsin übernommen, organisiert den Girls- und Boys Day und ist in der Steuerungsgruppe Fairtrade-Stadt offizielles Mitglied der Stadt Bad Nauheim.

Was man in 40 Jahren bei der Stadt erlebt und warum eine Frauenbeauftragte auch heute noch gebraucht wird, erklärt Patricia Mayer im Interview.

Frau Mayer, Sie feiern in diesem Jahr ihr 40-jähriges Dienstjubiläum, Hut ab! Sicherlich haben Sie viel erlebt, in all den Jahren. Erzählen Sie uns von Ihrem Werdegang bei der Stadt?

Viel erlebt habe ich allerdings, erlebe ich immer noch (lacht). Mein Werdegang: Am 1. September 1980 habe ich meine Ausbildung begonnen. Nach der Ausbildung war ich im Vorzimmer des damaligen Hauptamtsleiters tätig, bevor ich 1985 in das neu eingerichtete Amt für Grünflächen und Umweltschutz und 2005 in die städtische Immobilienverwaltung wechselte. 2012 habe ich mich dann auf die ausgeschriebene Stelle als Frauenbeauftragte beworben.

So im Vergleich „früher und heute“?

Puh, schwierig und nicht zu vergleichen. Von „Besser“ oder „Schlechter“ kann man nicht sprechen. Vieles, was früher nicht so toll war, ist heute viel besser und umgekehrt. Gearbeitet wurde früher auch, aber es wurde vieles ein bisschen lockerer genommen, würde ich sagen. Damals, in den 80iger Jahren, wurden zuweilen die Aufmaße mit den Baufirmen während der Mittagspause in der „Waldlust“ (Anm.: ehemalige Kneipe in der Hauptstraße) besprochen. Manchmal kamen auch die Kollegen von schlammigen Baustellen zurück. Da wurden die schmutzigen Socken, Schuhe und auch die Füße im Waschbecken mitten auf dem Flur gewaschen. Sowas wäre heute unvorstellbar; damals war es höchstens mal ein Kichern wert. Dafür sind heute die Arbeitszeiten viel flexibler. Auch die technischen Arbeitserleichterungen sind nicht zu unterschätzen. Wenn früher ein Leistungsverzeichnis mehrere Male mit der Schreibmaschine getippt werden musste, weil sich immer wieder Positionen geändert haben, ist es heute nur noch „ein Klick“.

Von der Spielplatzunterhaltung, der Park- und Grünpflege, der Friedhofs- und der Baumschutzsatzung zur Frauenbeauftragten – der Sprung ist Ihnen gelungen?

Ja, absolut! Ich war schon immer sehr gerechtigkeitsliebend und selbstbewusst. Ich habe mich schon in jungen Jahren mit damaligen Kollegen und Vorgesetzten angelegt, die die Meinung vertraten: „Frauen gehören hinter den Herd“!

Wie sieht denn der Arbeitsalltag einer Frauenbeauftragten aus?

Einen „Alltag“ gibt es eigentlich in dem Sinne nicht, da ich nie weiß, was oder wer heute auf mich zukommt, wer Hilfe braucht und wie umfangreich die Hilfeleistung sein wird. Es kommt auch darauf an, ob ich als Suchtbeauftragte, als Gesundheitslotsin oder als Mitglied in der Steuerungsgruppe Fairtrade gefragt werde bzw. tätig bin. Natürlich gibt es auch „geplante“ Termine, beispielsweise Vorstellungsgespräche oder Vorträge bei Vereinen oder Organisationen. Ab 2020 bin ich Dozentin am Verwaltungsseminar für angehende Frauenbeauftragte. Darauf freue ich mich schon jetzt.

Manchmal komme ich pünktlich nach Hause, manchmal erst nach 22:00 Uhr.

Man sollte meinen, Gleichstellung sei in den meisten Bereichen inzwischen selbstverständlich. Wie sieht es heute aus für die Frauen in Deutschland?

Auf den ersten Blick: ganz gut. Die Frauen sind so gleichberechtigt wie nie zuvor. Viele Schranken sind gefallen, viele Hürden wurden weggeräumt. Trotzdem diktieren in etlichen Bereichen noch immer die Männer die Spielregeln, vor allem in der Wirtschaft. Es wurde zwar schon viel erreicht. Aber immer noch gibt es Luft nach oben. Das sehen wir an den Renten, die Frauen in Altersarmut stürzen lassen, an Unterschieden im Gehalt, an der Besetzung von Führungspositionen, an der Benachteiligung alleinerziehender Frauen – die Hälfte von ihnen leben an der Armutsgrenze.

Was sind denn genau Ihre Aufgaben als Frauenbeauftragte?

Wie alle Frauenbeauftragten wirke ich bei personellen Angelegenheiten wie Stellenausschreibungen und Auswahlverfahren mit. Auch Vorschläge zu erarbeiten für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehört zu meinen Aufgaben. Es geht ganz viel um Vermittlung von Kontakten, um Aufklärung und Information und darum, Netzwerke aufzubauen.

Eine Schwerpunktaufgabe der Frauenbeauftragten ist es, die Gleichstellung innerhalb der Verwaltung zu fördern. Bei uns sind zwar sehr viele Mitarbeiter weiblich. Von den sechs Fachbereichsleitungen ist allerdings nur eine Frau in der Führungsposition.

Woran liegt’s?

Bei uns in der Verwaltung? Auf keinen Fall an einer frauenfeindlichen Politik, ich werde z.B. vorbildlich in alle Personalangelegenheiten mit einbezogen. Es gibt Vermutungen, dass Frauen zu zurückhaltend sind, dass sie sich selbst zu sehr hinterfragen. Oft spielt auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Rolle. Ich möchte Frauen ermutigen, dass sie sich bewerben und sich mehr zutrauen im Bereich Führungspositionen. Nach dem Prinzip der Selbstähnlichkeit wählen Männer bei Bewerbungen eher Männer aus. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Frauen Eingang in Führungspositionen finden und Verantwortung übernehmen. Dann werden gleiche Chancen in Unternehmen und Organisationen selbstverständlicher.

Durch kontinuierliche Zusammenarbeit ist es im Bad Nauheimer Rathaus gelungen, so einiges im Sinne der Gleichstellung zu schaffen – für Frauen und Männer.

So war man bei meinem Start 2012 beispielsweise noch zurückhaltend, was das Thema Homeoffice anging. Seit einiger Zeit gibt es diese Möglichkeit. Das ist ein großer Schritt für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und für Männer.

Was aber nicht heißt, dass man hier nicht auch noch was verbessern könnte (schmunzelt).

Stoßen Sie bei Ihrer Arbeit auch noch auf Widerstand? Oder wird die Arbeit belächelt?

Grundsätzlich würde ich schon sagen, dass die Anerkennung gewachsen ist. Eine Frauenbeauftragte kann ja auch nur so gut sein wie die Menschen, die sie umgeben. Man kann nicht immer nur stur mit dem Kopf gegen die Wand rennen, man braucht Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Und man braucht Männer, die nicht die Konkurrenz fürchten und nichts Ehrenrührendes dabei empfinden, wenn Frauen gefördert werden.

Aber ich höre auch oft genug: „Wofür denn eine Frauenbeauftragte? Es gibt ja auch keine Männerbeauftragten! Oder die Männer fragen: „Denkst Du auch mal uns … ?“

Und – was antworten Sie darauf:

Mit einem klaren Ja! Denn tatsächlich geht es um eine Gleichstellung von Mann und Frau, die ich vorantreiben will. Aber nicht im Stil einer kämpferischen Alice Schwarzer. Ich möchte natürlich etwas erreichen, aber das schaffe ich – meiner Meinung nach – nur im Dialog, im Miteinander, durch gutes Zuhören und Kooperationen. Ohne dabei aber mein eigentliches Ziel aus den Augen zu verlieren. Es geht auch nicht um persönliche Siege, sondern um die Sache und darum, wie man das Bestmögliche erreichen kann.

Braucht es denn überhaupt einen „Männerbeauftragten“?

Nein, das glaube ich nicht. Unsere Strukturen sind ohnehin schon männlich geprägt. Und es bleibt das Rollenbild von der Frau, die für die Familie da ist und der Mann die Familie ernährt. Solange diese Strukturen vorherrschen, müssen wir uns um die Männer keine Sorgen machen.

In meiner Funktion als Gesundheitslotsin kommen tatsächlich auch Männer zu mir. Zum Beispiel im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Ich unterstütze die Kollegen, wenn sie nach längerer Krankheit wieder anfangen zu arbeiten, meist erst einmal stundenweise. Auch berate ich die Männer, wenn sie in sonst eher typische Frauensituationen geraten, und – aus welchen Gründen auch immer – Teilzeit arbeiten wollen oder müssen.

Aber grundsätzlich: Zur mir kann jeder kommen, der Hilfe braucht, denn der Mensch selbst ist mir wichtig. Ich möchte, dass es allen gut geht, alle bekommen, was Ihnen zusteht und zufrieden sind.

Sie helfen auch Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden. Wie genau?

Ich bin Ansprechpartnerin für Betroffene, aber auch für Angehörige und vermittle weiter zu verschiedenen Hilfs- oder Beratungsstellen. Mit Informationen, mit Vorträgen, mit Aktionen wie „Orange your town“ (Aktion „Nein zu Gewalt an Frauen und Mädchen“). Mit Veranstaltungen wie das „Frauenforum der Vielfalt“. Dort sind keine Männer erlaubt, damit die Frauen sich austauschen können, ohne sich verstellen zu müssen. Dort wird getanzt, gelacht und muslimische Frauen legen die Kopftücher ab.

Das Thema häusliche Gewalt zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Aber es braucht meist mehrere Anläufe, bevor Frauen den Mut finden und sich aus der Situation befreien. Als Frauenbeauftragte kann ich da nur an die entsprechenden Stellen verweisen und informieren. Es ist tatsächlich leider so, dass viele Frauen leider in Beziehungen bleiben, in denen sie Gewalt erleben. Die finanzielle Abhängigkeit von Frauen, die Kinder haben, ist dabei ein großes Problem. Deswegen bleiben Frauen, obwohl sie Gewalt erleben, oft in den Beziehungen oder gehen zurück, auch wenn sie schon eine Zeit im Frauenhaus gelebt haben.

>> Wenn Sie Zeuge werden oder hören, dass jemandem häusliche Gewalt widerfährt: Informieren Sie die Polizei! <<

Gibt es etwas, dass Sie sehr bewegt hat?

Oh ja, das gibt es. Ich erinnere mich an einen Fall „weiblicher Beschneidung“. Hier wurde die Frau als junges Mädchen so eng zugenäht, dass sie ihr Kind nicht gebären konnte. Der Vater erlaubte nicht, dass die Frau quasi wieder aufgeschnitten wurde; auch einen Kaiserschnitt erlaubte er nicht. Erst mit der Begründung „Ihr Sohn stirbt sonst!“ stimmte er dem lebensrettenden Kaiserschnitt zu.

Es ist manchmal ein Kampf gegen Windmühlen (seufzt).

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

2018 jährten sich in Deutschland gleich zwei für die Frauen, für die Gleichberechtigung höchst bedeutsame Ereignisse: Vor 100 Jahren konnten Frauen zum ersten Mal an einer Wahl teilnehmen, vor 70 Jahren wurde das Grundgesetz verabschiedet, das in Artikel 3 Absatz 2 verkündet: „Mann und Frau sind gleichberechtigt.“ Das waren große Erfolge für die Frauenbewegung. Frauenwahlrecht und Gleichberechtigungsgrundsatz sind Meilensteine in der Geschichte der Frauenrechte und der Gleichstellung der Frauen in unserem Land. Und wenn wir uns heute daran erinnern, dann erinnern wir auch an mutige, an beharrliche Frauen, die mit ihrem Einsatz für Frauenrechte Geschichte schrieben. Deshalb wünsche ich mir, dass die jungen Frauen von heute sich dies bewusstmachen und nicht in „alte Muster“ verfallen, wie von gewissen Strömungen gewünscht, die das Motto „Frauen zurück an den Herd“ propagieren.

Welchen Berufswunsch hatten Sie eigentlich als Kind? Hat sich das konkretisiert?

Als Kind hatte ich den Wunsch „reich“ zu sein, damit ich mit den Armen teilen kann – wie Robin Hood. Konkretisiert hat sich das, zumindest in finanzieller Hinsicht, nicht wirklich.

Zum Schluss noch einen Ratschlag an Ihr 16-jähriges Ich?

Du liebe Güte (lacht). Spontan würde ich sagen: „Mach‘ mal halblang“ und „Sag auch ruhig mal nein“.

Patricia Mayer ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Ihren beruflichen Ausgleich findet sie beim Sport.

Vielen Dank, Frau Mayer!

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