Bad Nauheim gegen Hetze | © Magistrat
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Bad Nauheim gegen Hetze und für Demokratie

Bad Nauheim reagiert mit „stillem Protest“ auf angekündigte Demonstration – „Bevölkerung und Gäste schützen, Eskalation verhindern“
20. Mai 2022

„So wenig Aufmerksamkeit wie möglich schenken“ – das ist die Losung für den stillen Protest, mit dem sich die Stadt gegen die für den heutigen Samstag angekündigte Demonstration eines AfD-Mitglieds durch die Innenstadt zur Wehr setzen will. „Wir haben unsere juristischen Möglichkeiten mit einer Auflagenverfügung voll ausgeschöpft“, betonte Erster Stadtrat und Ordnungsdezernent Peter Krank. Ein bundesweit bekannter NPD-Kaderanwalt reichte erfolgreich Klage beim Verwaltungsgericht Gießen ein.

Dennoch hat die Verlegung des Treffpunkts der Demonstrationsteilnehmer vom Parkplatz Frankfurter Straße auf den Parkplatz Usa-Wellenbad, ein Trommel- und Lautsprecherverbot auf vier Teilabschnitten der durch die Innenstadt führenden Route sei zum Schutz sensibler Einrichtungen nach gerichtlicher Auseinandersetzung weiterhin Bestand. Zudem konnte zwar nicht das Verbot, aber zumindest die Begrenzung der Anzahl der erlaubten Trommeln auf sechs erwirkt werden. Die Einhaltung dieser Auflagen obliegt der Polizei.

„Unser Hauptziel ist der Schutz der Bevölkerung, sowohl der Menschen unserer Stadt als auch der Gäste, von denen viele hier ihre Gesundheit wiederherstellen wollen“, so Krank weiter. Diesem Schutzbestreben sind auch die Parteien, Vereine, Verbände und Institutionen gefolgt und verzichten auf eine ebenfalls lautstarke Gegendemonstration. „Zu versuchen, sich gegenseitig zu übertönen, erzeugt Lärm und birgt zudem die Gefahr weiterer – auch gewaltsamer – Eskalationen“, begründete Krank sein Eintreten für einen „stillen Protest“.

Teil dieses Protests ist eine ganzseitige Anzeige in dieser Zeitung mit einem Plädoyer „gegen Hetze und für Demokratie“, das von 55 Institutionen, Unternehmen, Parteien, Verbänden und Vereinen getragen wird und unterschrieben ist. „Ich bin stolz auf die große Bandbreite der Einrichtungen, die ihren Namen unter diese Erklärung gesetzt haben. Die Palette reicht von den demokratischen politischen Organisationen über Schulen, Kirchen und international ausgerichtete Verbände bis zu Sport- und Musikvereinen sowie den Landfrauen. Ein bunter Querschnitt der Bad Nauheimer Zivilgesellschaft hat sich hier zusammengefunden, um vereint den Versuchen entgegenzutreten, die öffentliche Meinung unserer Stadt fremdzubestimmen. Das ist ein großartiges und Mut machendes Statement“, erklärte Bürgermeister Klaus Kreß.

Sowohl er, als auch Erster Stadtrat Peter Krank seien in den letzten Tagen wiederholt aufgefordert worden, „etwas gegen die Demonstration zu unternehmen“, berichtete Kreß. In einer rechtsstaatlichen, freiheitlichen Demokratie, in der neben der Würde des Menschen die Meinungsfreiheit als höchstes Gut gelte, sei es jedoch nahezu unmöglich, eine Demonstration generell zu verbieten. „Es mag paradox wirken, aber es ist tatsächlich die Kehrseite der großen Freiheit, die wir genießen, dass diese Freiheit auch jenen zusteht, die sie beschneiden wollen“, erläuterten Kreß und Krank.

Durch die Verlegung des Kundgebungsorts konnte Gefahrenpotenzial für die Patienten der Kerckhoff-Klinik in unmittelbarer Nähe zum Parkplatz an der Frankfurter Straße gebannt werden. Erreicht habe man weiter, dass vor der Kurpark-Klinik Seniorenresidenz am Park, der Median Klinik am Südpark und dem Reha-Zentrum in der Lindenstraße sowie vor der Dankeskirche Trommeln und Lautsprecher nicht genutzt werden dürften und mit Rücksicht auf die Belange der Gesundheitsstadt die Lärmemission generell bestimmte Werte nicht überschreiten dürfe. Weitergehende Einschränkungen einer von der Stadt erlassenen Verfügung, gegen die der aus Büdingen stammende Veranstalter Klage beim Verwaltungsgericht Gießen einreichte, waren nicht durchsetzbar“, so Kreß und Krank.

Nach ihrer Ansicht wäre die wirksamste Aktion gegen die Demonstration deren weitgehende Nichtbeachtung. Demokratiefeinde aus anderen Wetterauer Kommunen und aus angrenzenden Landkreisen, die in den letzten Monaten eigens für die Montagsdemonstrationen anreisten, versuchten, lautstark den Eindruck zu erwecken, es seien Bad Nauheimer*innen, die gegen gelebte Gleichberechtigung demonstrierten, Unwahrheiten zur Corona-Pandemie verbreiteten oder gegen die Unterstützung der Ukraine in dem von Russland entfesselten Angriffskrieg protestierten.

„Dieser Versuch, die öffentliche Meinung unserer Stadt fremdzubestimmen, ist perfide und infam, da sind wir uns alle einig“, betonten Kreß und Krank. Sich dagegen zu positionieren, ohne eine Eskalation mit möglichen Sach- und Personenschäden zu provozieren, sei eine Wanderung auf schmalem Grat, den Demokraten seit jeher immer wieder neu definieren müssten. „Was wir auf jeden Fall tun können, ist, den Demonstranten das zu verweigern, das sie mit Lautstärke erreichen wollen: unsere Aufmerksamkeit. Auch wenn es banal anmutet, ist Ignoranz in diesem Fall unsere schärfste Waffe“, so Kreß und Krank abschließend.