Ausstellung „Was Hände erzählen“ bis Ende des Jahres im Bürgerbüro | © Magistrat
lebenswert

„Was Hände erzählen“ gegen Rassismus, für Solidarität

Ausstellung „Was Hände erzählen“ bis Ende des Jahres im Bürgerbüro
18. Oktober 2021

Eroberung, Flucht, Vertreibung, Aus- und Zuwanderung aus unterschiedlichen Gründen prägen den europäischen Kontinent seit Jahrtausenden. An elf Beispielen aus dem Mikrokosmos Bad Nauheim zeigt eine jetzt im Bürgerbüro des Rathauses unter dem Titel „Was Hände erzählen“ eröffnete Ausstellung, wie sehr Menschen anderer Lebenswelten die städtische bzw. regionale Gemeinschaft beeinflussen und bereichern.

Die Aktion ist ein Projekt der Arbeitsgemeinschaft „Für Respekt! Gegen Rassismus!“, die Mitglieder der Vereine Internationaler Club Bad Nauheim (ICBN) und Interkulturelle Kompetenz und Integration (IKI) als Reaktion auf den weltweit latenten und immer wieder spektakulär aufflammenden Rassismus im Juni 2020 initiiert haben.

„Vorurteile beherrschen uns, seit wir denken können, denn sie resultieren aus zigtausend Jahre alten Schutzreflexen und sind tief in unseren Genen verwurzelt“, betonte Bürgermeister Klaus Kreß in seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung, die pandemiebedingt im kleinsten Kreis stattfand. Er forderte seine Zuhörer auf, sich bewusst zu machen, dass die aus Vorurteilen abgeleitete Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung zumeist unbewusst und in der Regel nicht offen geschehe, sondern „in unseren Gedanken, in unbewusster Körperhaltung, in Entscheidungen, die wir als Vermieter oder Arbeitgeber treffen, in abschätzenden Blicken, in ungeschickter Wortwahl“.

Ebenso wie Stadtverordnetenvorsteher Oliver von Massow, der die große Zahl der in Bad Nauheim vertretenen Nationen hervorhob, dankte Kreß der AG „für diesen Appell an unseren Verstand und an unser Herz, mit dem sie uns auffordern, diejenigen, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, als das zu sehen, was sie sind: keine anonymen Fremden, sondern, jede und jeder für sich, ein Mensch wie wir selbst!“

Dr. Ulrich Becke als Sprecher der AG erinnerte an seine eigene Familiengeschichte: den Großvater, der in die USA auswanderte, bevor er dann doch den Familienbetrieb übernahm, den Vater, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Mutter nach Westdeutschland kam und sich hier als zunächst wenig geschätzter Vertriebener durchkämpfen musste. Beckes Fazit: „Wer heute glaubt, dass Menschen einfach so zum Spaß ihre Heimat verlassen, verschließt seine Augen vor der Wirklichkeit!“

Im Rückblick berichtete Dr. Becke „von einigen Geburtswehen“, zumal die ersten Veranstaltungsplanungen der AG für Herbst 2020 den Kontaktbeschränkungen der Pandemie zum Opfer gefallen waren. Lange habe man über die schwierige Auswahl der Interviewpartner:innen diskutiert, sie mehrfach neu abgewogen, um möglichst realistisch das breite Spektrum der Internationalität der badestädtischen Bevölkerung abzubilden.

Herausgekommen sind spannende Einblicke in elf unterschiedliche Lebensläufe von Menschen, deren verschlungene Wege schließlich in Bad Nauheim zusammentrafen. Der Bogen spannt sich von der 92-jährigen, 1929 in Ungarn geborenen Tereza Plaz („Jahrelang hatte ich grausames Heimweh. Letzten Endes ist es gut gelaufen“) bis zur 12-jährigen Elen Alhasan, die 2009 in Syrien zur Welt kam („Am Anfang war es anstrengend, ich habe mich so ausgeschlossen gefühlt“). Interviewt wurden außerdem Jagjeet Anders (Indien), Lemlem Berhane (Eritrea), Ernesto Filippelli (Italien), Petros Gözüpekli („Pontos-Grieche“ aus der Türkei), Flora Hansen (Philippinen), Waldemar Krenz (Sowjetunion), Sohaila Noori (Afghanistan), Meho Palamar (Jugoslawien und Armagan Yilmaz (Türkei).

Die vom Wetteraukreis aus dem Programm „Demokratie leben!“ des Bundesfamilienministeriums geförderte und vom Land Hessen mitfinanzierte Ausstellung wird bis Ende Dezember 2021 während der Öffnungszeiten des Rathauses im Bürgerbüro zu sehen sein. Ein Flyer zur Ausstellung liegt aus.