Verborgene Zeichnungen Otto Franz Kutscher | © Magistrat
lebenswert

Verborgene Zeichnungen von Otto Franz Kutscher schmücken Altes Rathaus

Info: Dieses Treffen fand im März statt, bevor sich die Corona-Krisensituation dramatisch verschärfte und strengere Vorgaben zur Vermeidung sozialer Kontakte auferlegte.
24. März 2020

Jahrelang lagen die Bleistiftzeichnungen verborgen in einer Schublade des Sekretärs. Beim Aufräumen sind sie wiederentdeckt worden. Sechs Motive aus dem damaligen Stadtbild Bad Nauheims hat Otto Franz Kutscher (*27. Juli 1890 + 29. 10 1971) der Nachwelt hinterlassen. Auf Initiative von Petra Antony-Rosenbecker sind die historisch wertvollen Werke an die Stadt gegangen. Jetzt schmücken sie, geschmackvoll gerahmt, das Treppenhaus des Alten Rathauses. In einer kleinen Feierstunde, zu der Bürgermeister Klaus Kreß geladen hatte, ist des Bad Nauheimer Multitalents der bildenden Künste gedacht worden.

Aus der Vita des in Magdeburg geborenen Malers und dessen künstlerischen Schaffens wusste Stadtarchivarin Brigitte Faatz zu berichten: „Otto Franz Kutscher zählte über die Grenzen Bad Nauheims hinweg zu den künstlerischen Größen seiner Zeit. Er war auch Illustrator, Industriegrafiker, Schriftsteller und Mitbegründer des Oberhessischen Künstlerbundes.“ Der Bogen spannte sich von den frühen, dem französischen Impressionismus verbundenen Gemälden voller Lebensfreude, bis zu den eindrucksvollen Sgrafitti, die sein handwerkliches Können belegen. Mehrere Arbeiten im innerstädtischen Raum Bad Nauheims tragen seine künstlerische Handschrift, wobei er in späteren Jahren von Philipp Ess aus Dorn-Assenheim tatkräftige Unterstützung fand. „Heute noch im Original zu sehen sind zwei dekorative Kratzputzarbeiten an den Gebäuden der Sprudelapotheke (Hauptstraße 2) mit den Schutzheiligen Cosmas und Damian und am ‚Haus Hedwig‘ (Karlstraße 28)“, freut sich Bürgermeister Klaus Kreß.

Zahlreiche Atelierfeste fanden in seinem Haus in der Kurstraße 29 statt. Unter Mitwirkung seiner Frau Erna gab es mehr als 60 klangvolle Hauskonzerte mit namhaften Kammermusikern. Enge Freundschaften pflegte Otto Franz Kutscher mit Erich Kästner, Kurt Tucholsky und dem Nobelpreisträger Carl von Ossietzky. Er zählte sich bereits in den Jahren der Weimarer Republik zum linksorientierten Flügel der geistigen Elite Deutschlands und dokumentierte deshalb sein politisches Bekenntnis in jener Richtung.

In mehreren Vereinen und Verbänden sind seine Ideen gefragt gewesen. Als Mitbegründer der Fechtabteilung des VfL Bad Nauheim und als langjähriger Vorsitzender des damaligen Großvereins hat er seiner Liebe zum Sport Ausdruck verliehen.

Heinrich Burk schreibt in „Anekdoten aus der Bad Nauheimer Mottenkiste“: „Im Rahmen der Hauskonzerte fand Otto Franz Kutscher auch den Kontakt zu dem amerikanischen Stadtkommandanten Paul R. Knight, der gegenüber wohnte, und mit dem ihn eine gemeinsame künstlerische Neigung verband. Es ist nicht auszuschließen, dass Kutschers Einfluss auf den Colonel nicht nur dessen Deutschfreundlichkeit förderte, sondern auch die Initiative zum Bau des Eisstadions positiv beeinflusste.“

In den humanistischen Idealen des Freimaurertums fand der bis in die Fingerspitzen musische Mann sein eigenes, liberales, antifaschistisches Leitbild. Der Friedberger Loge „Ludwig zu den drei Sternen“ schenkte er über Jahre sein Vertrauen und seine Verbundenheit.

In einer Laudatio zum 80. Geburtstag von Otto Franz Kutscher hat Jenny Häusler in der Bad Nauheimer Kurzeitung 1970 ein von ihm verfasstes Gedicht veröffentlicht, das sein Talent als Poet unterstreicht:

Zum Kutscher, dem sein Steckenpferd
mehr als ein Vollblut lieb und wert,
kommt mancher, der bekümmert spricht:
„Was hilft Dir, daß Du jovial
erträgst dies Erdenjammertal
bei seelisch ungestörtem Gleichgewicht?“
Der aber strafft nur leicht die Zügel,
entschwebt darauf zu lichten Höh'n -
von da aus scheint die Welt ihm schön:
sein Steckenpferd hat nämlich Flügel!

Goethes Maxime „dem Wahren – Schönen – Guten“ fühlte sich Otto Franz Kutscher sein ganzes reiches Künstlerleben lang stets verpflichtet und verbunden. Erfreuen wir uns heute seines Erbes.