Die Impfbereitschaft zu erhöhen fordert die richtige Ansprache  | © pixabay
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Richtige Ansprache, um die Impfbereitschaft zu erhöhen

Stadt, Bad Nauheimer Kliniken und Zeppelin Universität Friedrichshafen führen Studie für eine erfolgreiche Impfkampagne durch
24. August 2021

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) exklusiv berichtete, zeigt eine in Bad Nauheim durchgeführte Studie mit national und international renommierten Hochschulen und den großen Kliniken vor Ort, wie es gelingen kann, Menschen über eine geschickte Impfkampagne zur Impfung zu bewegen. Der Schlüssel ist „Psychologische Eigentümerschaft“.

„Während der Impffortschritt landauf, landab an Fahrt verliert, diskutiert Deutschland darüber, ob es die Gratis-Bratwurst oder Werbespots mit Howard Carpendale schaffen, die Impfquote zu steigern“, erklärt Bürgermeister Klaus Kreß, wieso er im Mai andere Wege gegangen ist. „Uns ist es seit Beginn der Pandemie wichtig, möglichst wirksame Wege zu finden, um als Gesundheitsstadt unserer Verantwortung gerecht zu werden, gleichzeitig das zu erhalten, was die Stadt ausmacht und sicher zur Normalität zurückkehren zu können – für die Menschen in der Stadt“, so der Rathauschef.

In einer nach den wissenschaftlich üblichen und erforderlichen Maßstäben in puncto Datenschutz, Ethik und Methodik durchgeführten Studie der Zeppelin Universität, mit der Universität Mannheim und der Georgetown University in Washington, D.C. in Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Nauheim, der Kerckhoff-Klinik und dem Gesundheitszentrum Wetterau werden die Erfolgsfaktoren einer kommunalen Impfkampagne aufgezeigt – und empirisch belegt. Als einer der wichtigsten Faktoren erwies sich dabei, dass die Verwaltung vor Ort aktiver auf die Menschen zugeht.

„In der öffentlichen Debatte wird über verschiedene Maßnahmen diskutiert, darunter Anreize, Sanktionen oder eine Impfpflicht“, erläutert Dr. Florian Keppeler vom Lehrstuhl für Public Management & Public Policy an der Zeppelin Universität den Hintergrund der Studie. „Jedoch eröffnen sich aus unserer Sicht auch mildere Maßnahmen wie zum Beispiel gezielte Anreize aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht, die einen zusätzlichen Beitrag zur Steigerung der Impfbereitschaft leisten können.“

In einem offiziellen Schreiben, unterzeichnet von Bürgermeister Klaus Kreß, Prof. Dr. Ghofrani, ärztlicher Direktor der Kerckhoff Klinik und Prof. Dr. Grimminger, ärztlicher Direktor des Gesundheitszentrums Wetterau, wurden alle impfberechtigten Bad Nauheimer:innen und damit rund 27.000 Personen zur Impfung aufgefordert und auf deren Vorteile hingewiesen. Die eine Hälfte der Adressat:innen erhielt dabei einen allgemein formulierten Brief, die andere Hälfte einen solchen, in dem sie persönlich zu „Ihrer Impfung“ eingeladen wurden. Das Ergebnis: Die zweite Gruppe, die persönlich angesprochen wurde, zeigte ein um 39 Prozent erhöhtes Impfinteresse. Umgerechnet auf das gesamte Bundesgebiet, so haben die Autoren der Studie berechnet, könnte ein solches Vorgehen in der Gruppe derjenigen, die noch nicht geimpft sind, dazu führen, dass bis zu 2,8 Millionen Menschen zusätzlich Interesse an einer Impfung haben. „Dahinter steckte die Hypothese, dass bei Menschen durch Verwendung des Possessivpronomens eine „Psychologische Eigentümerschaft“ erzeugt wird. So wird aus „der Stadt“ „Deine Stadt“ und es entsteht eine stärkere Identifikation und Verantwortung“, erklärt Matthias Wieliki, Fachbereichsleiter Zentrale Steuerung und Öffentlichkeitsarbeit.

„Die Befunde der vorliegenden Studie veranschaulichen, dass es für das Ziel einer hohen Impfbereitschaft nützlich ist, wenn die Stadt aktiv auf die Bevölkerung zugeht“, fasst Keppeler zusammen. Als besonders erfolgversprechend sieht er die direkte Ansprache der Menschen ebenso an wie das Einbinden von Personen, „die vor Ort in der Regel eine hohe Reputation beziehungsweise Vertrauen genießen wie im vorliegenden Fall die führenden Mediziner der örtlichen Kliniken“.

Wichtig ist es außerdem, den Zugang zu Informationen und Impfterminen zielgruppengerecht zu kommunizieren und die Informationen niedrigschwellig zur Verfügung zu stellen. Insgesamt sehen die Studienautoren in den Ergebnissen eine hilfreiche Unterstützung für die Praxis und dankt der Stadt und Kliniken ausdrücklich für die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis.

In Bad Nauheim hat sich das an den im Juli und August erfolgreichen Impfaktionen am Parkdeck Sprudelhof gezeigt. Hier konnten an zwei Terminen weit über 500 Impfungen verabreicht werden. Der Zusammenhang zum Anschreiben lässt sich hierzu sicher nicht direkt herstellen. Konstatiert werden kann allerdings, dass die Ansprache der Stadt über die „psychologische Eigentümerschaft“ funktioniert und das Angebot gemeinsam von Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. Regionalverband Rhein Main, Hausarztpraxis Miran, Kurapotheke und Stadt von den Menschen angenommen wurde.