Markus Klug | © Magistrat
bürgernah

Wattestäbchen, Cremedosen und Gebisse

Markus Klug ist Leiter der Kläranlage Bad Nauheim – mit seinem Team ist er für die Reinigung des Abwassers von über 45.000 Menschen verantwortlich
11. Oktober 2019

Als Markus Klug die Abdeckung des Schneckenpumpwerks öffnet, bietet sich kein schöner, aber ein durchaus interessanter Anblick. Im Auffanggitter der Filteranlage hängen jede Menge Klopapierfetzen, ein Apfelkerngehäuse, Zigaretten, der Deckel einer Cremedose und in die Toilette gekippte Lebensmittelreste wie Karotten- und Wurstscheiben. Das Schneckenpumpwerk befördert das Abwasser von rund 40.000 Menschen, von Bad Nauheimer*innen aus der Kernstadt, Nieder-Mörlen und Schwalheim, von allen Ober-Mörler*innen und einigen Butzbacher*innen, in die Kernstadt-Kläranlage, wo es nach vielen Reinigungsstufen wieder in die Usa fließt. Für den Prozess, der von der Ankunft des Schmutzwassers bis zum geklärten Wasser etwa zwei Tage benötigt, ist Kläranlagenleiter Markus Klug zusammen mit seinem neunköpfigen Team verantwortlich.

Drei Jahrzehnte Abwassererfahrung
Seit über 30 Jahren arbeitet der Abwassermeister für die Kläranlagen der Gesundheitsstadt. Bevor er 1989 zur Stadt Bad Nauheim wechselte, war er bei einem Unternehmen für Industriebau in Ober-Mörlen tätig, wo er eine Ausbildung zum Stahlbauschlosser im Bereich Maschinentechnik für Kläranlagen absolvierte. Für seinen ersten Arbeitgeber installierte er Abwasserreinigungsanlagen auf der sich damals im Bau befindlichen Bad Nauheimer Kernstadt-Kläranlage. Während dieser wochenlangen Montagearbeiten fiel er den Verantwortlichen im Rathaus aufgrund seiner gesammelten und wertvollen Kenntnisse über die neue Technik positiv auf und wurde „abgeworben“. 

Trotz einer von seinem alten Arbeitgeber angebotenen Leitungsfunktion sowie Gehaltserhöhung nahm er die Stelle in Bad Nauheim an. „Das kam einerseits durch meine Mitarbeit am Aufbau, die mich neugierig auf die Aufgaben dort gemacht hatte und andererseits durch den engen Bezug in frühster Kindheit, da wir jahrelang im Haus gegenüber gewohnt haben“, erklärt Klug. Sein Vater, damaliger Leiter der Bad Nauheimer Kläranlagen, war im Hinblick auf die Einstellung zunächst skeptisch, merkte aber schnell, dass sein Sohn hervorragend „passte“. Dieser übernahm später, im März 2000, die Leitungsfunktion von seinem Vater. „Dabei lief das Auswahlverfahren ganz korrekt ab. Es gab eine Ausschreibung und ich musste mich neben anderen externen Bewerbern beweisen“, betont der 52-Jährige. Nach seiner Ausbildung zum Ver- und Entsorger, der heutigen Fachkraft für Abwassertechnik, folgte die Fortbildung zum Abwassermeister.

Geklärt wird nicht nur an einer Stelle
Bad Nauheim hat drei Kläranlagen. Die Anlage in der Kernstadt an der Kleingartensiedlung am Usa-Wellenbad kann das Schmutz- und Regenwasser von bis zu 45.000 Einwohner*innen fassen. Neben den Abwässern aus der Kernstadt, Nieder-Mörlen und Schwalheim kommen auch noch die aus Ober-Mörlen und Butzbach-Wiesenthal dazu. Die Nachbarorte sind angeschlossen, da das natürliche Gefälle Richtung Bad Nauheim beste Voraussetzungen dazu bot. „Die Gemeinden hätten die Fäkalien sonst mit großem Aufwand selbst in andere Kläranlagen pumpen müssen. So erbringen wir für Ober-Mörlen und Butzbach entgeltlich diese Dienstleistung. Selbst wenn das neue Wohngebiet »Bad Nauheim Süd« angeschlossen wird, ist die Grenze unserer Kernstadt-Kläranlage noch nicht ganz erreicht“, führt Markus Klug aus. Das Klärwerk in Rödgen am Ende der Brunnenstraße mit einer Kapazität von bis zu 2.200 Einwohner*innen nimmt das Abwasser von Wisselsheim und Rödgen auf. In der Kläranlage im Rosendorf in der Nähe des Friedhofs kommt nur das Regen- und Schmutzwasser der Steinfurther*innen an. Sie hat ein Abwasserfassungsvermögen von bis zu 3.000 Einwohner*innen. Neben dem 200 Kilometer langen Kanalnetz der Gesundheitsstadt werden zudem zehn Pumpstationen, die bei einem Geländeanstieg das Abwasser Richtung Kläranlage bringen, und drei Regenrückhaltebecken, die bei Starkregen vor Überschwemmungen schützen, betreut.

Markus Klug und sein Team überwachen nicht nur die Reinigungsvorgänge und steuern diese durch die Zugabe von Sauerstoff, Wasser und Wärme oder untersuchen Wasserproben, sie pflegen und erhalten auch täglich die unzähligen technischen Anlagen, Maschinen und Bauwerke - vom großen Rührwerk im Belebungsbecken bis zum Rasenmäher. Der Abwassermeister organisiert zudem den Einsatz seiner Mitarbeiter, beschafft Werk- und Betriebsstoffe, beauftragt zuarbeitende Fachfirmen, wickelt das Haushalts- und Rechnungswesen ab und hat die Gesamtverantwortung für die Reinigungsprozesse.

Fachkenntnisse von A bis Z
„Alle Mitarbeiter bringen neben ihrer »Fachkraft für Abwassertechnik« noch ganz unterschiedliche Berufe mit. So haben wir Maschinenbauschlosser, Gas- und Wasserinstallateure, Schreiner, Elektriker und Landmaschinenschlosser. Diese Fachkenntnisse sind von großem Wert, da wir viele Instandsetzungen an den Anlagen selbst vornehmen können. Das spart Zeit und Kosten“, informiert Klug, der in Friedberg wohnt. Sieben Mitarbeiter sind auf den drei Bad Nauheimer Kläranlagen im Wechselverfahren eingesetzt. Immer zwei Fachkräfte kümmern sich zwei Wochen lang auf einer Anlage um den laufenden Betrieb, während ein Mitarbeiter Bereitschaftsdienst hat. Dieser erledigt morgens auch die Arbeit im Labor. Er nimmt und analysiert Proben, um Stickstoff-, Sauerstoff-, Phosphat- oder Nitratwerte, die beispielsweise in Waschmittel oder Dünger vorkommen, zu bestimmen. So kann er die Einhaltung von Grenzwerten überprüfen und ermitteln, ob Maßnahmen zum Gegensteuern eingeleitet werden müssen. Zwei Mitarbeiter sind fest auf dem Kanalspülfahrzeug eingesetzt. Sie rotieren nicht zwischen den Kläranlagen, sondern spülen und pflegen täglich die kilometerlangen Schmutz- und Regenwasserkanäle im gesamten Stadtgebiet. 

Klammer auf der Nase ein Muss?
Riecht man nach all der Zeit eigentlich noch die unangenehmen Gerüche des Abwassers? „Meine Geruchsnerven sind noch intakt, aber ich nehme die Ausdünstungen als nicht mehr so intensiv wahr. Wenn wir allerdings die sechs Meter tiefen Klärbecken oder im Faulturm reinigen, wird es schon mal unangenehm“, bemerkt Klug und erzählt weiter, „oft riecht es bei uns aber fast gar nicht. Das hängt mit der Verdünnung durch den Regen zusammen. Unschön sind nur die Dinge, die in der Toilette landen, dort aber nicht hineingehören: Essensreste, Zigaretten, Wattestäbchen, Uhren, Eheringe, Cremedosen, Unterwäsche, Kondome, Deoroller, Handys, Getränkedosen, Gebisse und sogar Strickjacken. Ab und zu finden wir leider auch mal einen toten Hamster oder Zierfische. Einmal rief ein Bürger an und fragte, ob sein Gebiss bei uns angekommen sei. Da sich insgesamt fünf Stück angesammelt hatten, bot ich ihm an, sie anzuschauen. Das tat er auch, das passende war aber nicht dabei. Zudem waren sie nicht mehr vollständig erhalten.“

Erst schmutzig – dann sauber
Und so funktioniert der Abwasserkreislauf: Die Abwässer kommen über den Hauptsammler, ein großes Kanalrohr, das quer durch die Ortsteile läuft und kleinere Rohre aus den Straßen aufnimmt, in der Kläranlage an. Über das Schneckenpumpwerk werden sie in eine Filteranlage geführt. Hier werden die Grobstoffe wie Klopapier- oder Lebensmittelreste per Rechen herausbefördert. Über einen Sandfang fließt das Wasser weiter, um den groben Sand und Schotter der Straßen herauszufiltern. Das grobmechanisch gereinigte Abwasser kommt nun in die Belebungsbecken. Darin befinden sich Bakterien, die sich von den Schmutzstoffen im Wasser ernähren. Nächste Station sind die Nachklärbecken. Der restliche Schlamm wird dorthin geleitet und setzt sich am Boden ab, das gereinigte Wasser läuft in die Usa oder Wetter. Ein Teil des Schlamms kommt in den großen Faulturm. Durch den Faulprozess entsteht Gas und ausgefaulter Schlamm. Das Gas wird zur Stromgewinnung und Heizen der Kläranlagen genutzt.

Wärme, die zum Heizen der Kläranlage sowie Gase, die zur Stromgewinnung genutzt werden. Das Restprodukt wird entwässert und von den Bauern als Dünger auf die Felder aufgebracht. „Tatsächlich gibt es auch ein Becken, das sehr frisch und süßlich riecht. Hier wird das grobmechanisch gereinigte Wasser mit Sauerstoff versetzt. Dadurch werden die Duftstoffe aus Duschgel, Shampoo, Waschmittel, Creme oder Parfum gelöst. Es riecht ein bisschen wie im Douglas“, bemerkt der Kläranlagenleiter, der seine Freizeit gerne im gereinigten Usa-Wasser verbringt. Er ist Gewässerwart und leidenschaftlicher Angler beim ASV Friedberg: „Neben der Fischbestandsaufnahme mache ich dort das, was auch im Labor der Kläranlage stattfindet - Wasserbeprobungen, um die Qualität zu ermitteln.“

Nachwuchs dringend gesucht
Die Abwasserreinigung ist eine unverzichtbare kommunale Aufgabe, die händeringend Nachwuchs sucht. „Derzeit haben wir eine Ausbildungsstelle für den Beruf der Fachkraft für Abwassertechnik ausgeschrieben. Wir wollen unsere künftigen Mitarbeiter gerne von Anfang an ausbilden, begleiten und sie bei guten Leistungen in unser Team übernehmen. Auch wenn der Beruf des Abwassertechnikers bei dem einen oder anderen vielleicht mit Naserümpfen verbunden ist, verbirgt sich dahinter geballtes Technik-, Mechanik- und Chemiefachwissen“, unterstreicht Klug. Auf der städtischen Website www.bad-nauheim.de im Karriereportal oder hier https://bit.ly/31Wag1b ist die Stellenanzeige zu finden, auf die sich Interessierte noch bis zum 27. Oktober 2019 bewerben können. Auch Praktika für Schüler*innen und Student*innen sind im Klärwerk möglich. „So, nun alles klar wie die Abwasserreinigung funktioniert? Dann hätten wir das ja auch geklärt“, sagt Markus Klug augenzwinkernd.

Wir arbeiten für deine Stadt

450 Menschen arbeiten für die Gesundheitsstadt Bad Nauheim. Einige sehen wir täglich im Stadtgebiet, etwa beim Reinigen der Straßen oder Pflegen der Grünflächen. Viele städtische Beschäftigte arbeiten jedoch im Hintergrund und sind nicht jeden Tag „präsent“. Jeder für sich ist ein bedeutendes Zahnrad im Uhrwerk „Stadtverwaltung“ und leistet einen wichtigen Beitrag für das Zusammenleben. Mit unserer Serie „Wir arbeiten für deine Stadt“ stellen wir euch einige dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor.