„Buweschenkel“ aus Steinfurth

„Buweschenkel“ aus Steinfurth

Früher – so ist es übermittelt – hingen an Christi Himmelfahrt „Bubenschenkel“ oder wie man in Steinfurth sagt, „Buweschenkel“, an den Ästen der alten Linden auf dem Wingertberg. Heute liegen sie noch in der Auslage der Bäckerei Faulstich. Obwohl, sehr lange liegen sie da nicht, denn das Hefegebäck geht weg wie warme Semmeln.


Nur einmal im Jahr, nämlich zum Vatertag, also Christi Himmelfahrt, backt Jörg Faulstich die „Bubenschenkel“, deren Form – wie der Name schon verrät – an Beine erinnert. Seit 1902 gibt es die familiengeführte Bäckerei Faulstich in Steinfurth, die der Urgroßvater gegründet hat. Vermutlich schon seit jeher werden hier „Bubenschenkel“ gebacken, so genau weiß es auch Jörg Faulstich nicht, er kennt die Bäckerei aber gar nicht „ohne“.

— Herkunft nicht eindeutig belegt

Gerda Bonarius auf dem Wingertberg in Steinfurth.

Etwas mehr zur Geschichte der „Bubenschenkel“ kann die Steinfurtherin Gerda Bonarius erzählen, wobei die 72-jährige Ehrenvorsitzende des Heimat- und Geschichtsverein „Die Rosisten“ e.V. auch sagt, dass sie nicht belegt ist. Die „Bubenschenkel“ waren in heidnischer Zeit ein sogenanntes „Gebildbrot“ und ein Ersatz für ein lebendes (Menschen-)Opfer, das erbracht wurde, um eine gute Ernte zu erzielen.

Früher wurden die gebackenen „Bubenschenkel“ auf dem Wingertberg „geopfert“, indem sie dort an die Äste der sechs alten Linden angebracht und von Vögeln gefressen wurden. Heute werden sie in Steinfurth nicht mehr in die Bäume gehängt, sondern nur noch gegessen – von Menschen.

Als Kind war Gerda Bonarius oft mit ihrer Familie oder mit Freunden oben, um zu spielen und die schöne Aussicht zu genießen. Sonntags wurden früher auch Gottesdienste auf dem Wingertberg abgehalten, anschließend wurde hier oben im Gras gepicknickt. Damals standen hier noch sechs Linden, fünf davon sind jedoch schon eines „natürlichen Todes“ gestorben, sodass nur noch ein „Bubenschenkel-Baum“ steht.

— Fluffiger Hefeteig

Der süße Hefeteig der „Bubenschenkel“ wird in lange Stränge geteilt, in Form gezogen und nur recht kurz bei 220 Grad gebacken, sodass der Teig besonders schön fluffig bleibt. Jörg Faulstich und sein Team, bestehend aus zwei Bäckern und einer Bäckerin, werden ab 3:30 Uhr in der Backstube stehen, um die Spezialität frisch zuzubereiten.

Manche essen ihn pur, manche mit Butter oder Marmelade, und der „Buweschenkel“ lässt sich auch gut in Kaffee tunken. So isst ihn Gerda Bonarius am liebsten. Auch, wenn sich inzwischen einiges geändert hat, so wird die Steinfurther Back-Tradition sicher noch lange am Vatertag fortgeführt werden.

Autor / Autorin
Katharina Wagner
Katharina Wagner
Die Bad Nauheimerin lernt durch das Schreiben für den Blog ihre Heimatstadt noch einmal neu kennen: „Ich treffe interessante Menschen, die Interessantes machen oder zu erzählen haben, und ich bekomme spannende Einblicke in Unternehmen und Einrichtungen, die ich vorher so nicht hatte. Das macht Spaß.“ Katharina Wagner ist freiberufliche Redakteurin (Online, Print, Social Media und TV), seit ihrer Kindheit großer Elvis-Fan und sie lebt mit ihrem Lebensgefährten und den zwei gemeinsamen Kindern in Nieder-Mörlen.